St. Leon-Rot. Der Respekt vor der Großzügigkeit und dem Charme der historischen Räumlichkeiten, die Erlebbarkeit der Bachidylle und ein schnörkellos-moderner Anbau, der sich einfügt, ohne sich anzubiedern, gaben den Ausschlag: Renzo Vallebuona von "Vast Architekten" hat mit seinem Team den Wettbewerb zur Umgestaltung der Kramerschen Mühle in St. Leon-Rot für sich entschieden.
Das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an der Mühle war von jeher groß und erst recht seit Ende 2015, als die Gemeinde das über 500 Jahre alte Gebäudeensemble erwarb. Zahllose Ideen wurden an Verwaltung und Rat herangetragen, wie man das Wohnhaus mit der denkmalgeschützten Fassade, die vom Haupteingang gesehen links gelegenen Stallungen, die Scheune rechts, das Mehllager diesseits und die Ölmühle jenseits des Kraichbachs nutzen könnte. Nicht zu vergessen die Mühlenwiese hinter den Stallungen, für die ein Bürgerentscheid 2017 eine einst angedachte Wohnbebauung ausgeschlossen hat.
"Ziel ist die größtmögliche Attraktivität für die Bevölkerung": Die Vision, die Bürgermeister Alexander Eger am Freitag, in der Pressekonferenz zum Juryentscheid, bekräftigte: Jeden Tag und von morgens bis abends soll in der Mühle etwas los sein, in Mediathek, Restaurant, Trauzimmer, Künstlerwerkstatt, Vereins- und Seminarräumen, auf Bühnen, im Hof, auf der Wiese und am Bach. Die Vorstellungen reichen von kleinen Treffen und Workshops zu verschiedensten Themen bis hin zu Konzerten, Kleinkunst und Theater.
In einer "Bürgerwerkstatt" wurden 2017 diese und weitere Ideen gesammelt und mit der "Projektgruppe Mühle" mit Vertretern von Gemeinderat, Verwaltung, Vereinen, Freundeskreis Kramer-Mühle, Arbeitskreis Heimatgeschichte, Gewerbe, Gastronomie und Jugendzentrum zu einem Nutzungskonzept geformt. Dieses bildete die wichtigste Grundlage für den Architektenwettbewerb, der im Juli 2020, betreut vom Projektmanagementbüro Thost, startete. Für die ersten vier Plätze stellte die Gemeinde 115.000 Euro zur Verfügung, mit 40.000 Euro ist der erste Preis dotiert.
Eingereicht wurden sieben Vorentwürfe. Mit 6 zu 1 Stimmen entschied die Jury sich für "Vast Architekten". Die Gesamtkosten für das Maßnahmenpaket sind ebenso wie zahllose Details der Ausführung noch offen: Der Wettbewerb fokussierte sich auf die "architektonische Leistung", so Eger, es habe keinen Kostenrahmen gegeben. Der Gemeinderat befasst sich voraussichtlich im Juli mit der Mühle, wobei die Juryentscheidung schon großes Gewicht hat.
Interessant ist für Wolfgang Grether, selbst Architekt aus Karlsruhe und Vorsitzender der Jury, der Kontrast zum zweiten Platz: Der sehe keinen Anbau vor, müsse aber dafür mit den vorhandenen Räumlichkeiten auskommen. Dies habe seinen Reiz, mitsamt Einrichtung aber wirke im Entwurf alles stark verdichtet und spartanisch – anstatt so luftig und weitläufig wie im Siegerentwurf. Einen dritten Platz gebe es nicht, so Grether weiter, sondern zwei vierte Plätze und drei weitere Einreichungen. Die enthielten aber Vorschläge, die den Wettbewerbsvorgaben nicht so gut entsprächen, oder brächten denkmalschutzrechtlich und städtebaulich Probleme mit sich.
Die Ausstellung mit den eingereichten Entwürfen, die noch nächste Woche im Seminarraum im Obergeschoss des Harres zu sehen ist, zeigt Pläne, Skizzen und dreidimensionale Animationen, wie die Mühle einmal aussehen könnte. Im Fall von Renzo Vallebuonas Entwurf fällt der Blick zuerst auf ein ausgebautes Dachgeschoss mit den starken Balken der Tragkonstruktion als wesentliches gestalterisches Element. Außerdem ist ein komplett umgemodeltes Ufer neben der Ölmühle zu sehen: Der Kraichbach werde zum "öffentlichen Event", so die Vorstellung, zum Entspannen und Genießen, für die "kreative Pause".
Von Beeten flankierte Sitzstufen und Treppen führen zum Bach hinab, dahinter ragt der geradlinig-nüchterne, mit großen Fensterflächen versehene Neubau für die Mediathek empor. Dass dieser die historischen Bestandsgebäude nicht imitiert, sondern eigenständig und mit zeitgenössischer Formensprache dasteht, hat der Jury laut Wolfgang Grether gut gefallen. Eine weitere Brücke über den Bach ist denkbar, im Entwurf aber noch nicht ausgestaltet.
Vallebuona und sein Team stellen sich das Restaurant am besten nahe dem Haupteingang platziert vor, in den ehemaligen, zweigeschossigen Stallungen. Zu der Bewirtung innen könnten Tische und Stühle im Mühlenhof kommen. Hinter dem Restaurant, der Mühlenwiese zugewandt, soll ein schmales Band aus Anbauten Lager, Sanitärräume und ein Treppenhaus beherbergen. Wie die Küche dimensioniert und ausgestattet sein soll, ist noch offen.
Die alte Scheuer soll zum "Marktplatz" werden: Die Wände verschwinden für ein offeneres Konzept, das den Blick schweifen lässt und zum Flanieren einlädt, und dann könnten hier Buden, Stände und Begegnungspunkte entstehen. Im Wohnhaus sind Räume für Künstler oder beispielsweise auch Forscher der Heimatgeschichte und ganz oben, im Dachspitz, Zimmer zum Übernachten vorgesehen. Denkbar sind sie für die Hochzeitsgesellschaft, die im Mehllager nebenan feiern kann.
Ebenfalls noch offen ist, ob der Siegerentwurf auf einmal oder in mehreren Phasen umgesetzt werden kann. Sollte die Mediathek mit Büchern, Online-Medien, Internet-Zugängen, Leseecken und weiteren Angeboten gleich im Neubau eingerichtet werden, werden in der Ölmühle Räume für Feste und Feiern geboten. Diese Lösung würde Vallebuona schon aus pragmatischen Gründen vorziehen: Die historischen Räume mit Infrastruktur wie beispielsweise Heizung, Lüftung, Strom, Internet, Wasser und Abwasser zu versehen, werde Herausforderung genug. Da sollte die noch komplexere Mediathek vorneweg in den maßgeschneiderten Neubau, anstatt erst im Bestand eingerichtet zu werden und dann später doch noch umzuziehen.
So wie der Entwurf steht, ist er nur ein Anfang: Gemeinsam mit Verwaltung und Gemeinderat muss er von "Vast Architekten" nun weiterentwickelt werden. Da geht es laut Ortsbaumeister Peter Dietz auch um ganz konkrete Fragen wie die Praktikabilität der angedachten Nutzungen, Barrierefreiheit, Denkmalschutz, Statik, Zustand der Bausubstanz im Bestand oder Bodenbeschaffenheit – gerade an den Bachufern.
Info: Die Ausstellung mit den Entwürfen zum Architektenwettbewerb um die Kramer-Mühle ist werktags von 10 bis 17 Uhr im Seminarraum im Obergeschoss des Harres zu sehen.
"Die Mühle ist ein tolles Ding" - Das sagt der Ingenieur zur Mühle
"So viele Möglichkeiten": Das und ihre Historie machen für Renzo Vallebuona den Reiz der Kramer-Mühle aus, begeistert äußert er sich darüber und über die Teilnahme am Architektenwettbewerb. Er ist Diplom-Ingenieur und leitet gemeinsam mit Alexa Steger "Vast Architekten". Zudem unterrichtet der 60-Jährige seit acht Jahren an der Fakultät für Architektur des Karlsruher Instituts für Technologie. Ehe er sich mit seiner Familie in Düsseldorf niederließ, lehrte und arbeitete er auch in Harvard, London, im italienischen Udine, in Zürich und in Berlin.
"Ein tolles Ding": Die Kramersche Mühle kennt Vallebuona von seiner Lehrtätigkeit. Über private Kontakte kam er früher schon auf die Idee, sie seinen Studierenden als praktische Aufgabe direkt aus dem Leben zu präsentieren. Für ihn bestätigte sich: "Die Bausubstanz ist fantastisch, der Baumbestand ist fantastisch, die ganze Mühle finde ich besonders schön." Gerade die Dachkonstruktion wecke seine Begeisterung, daher widme er ihr bei der Raumgestaltung besondere Aufmerksamkeit.
Wichtig im Entwurf seines Büros sei, dass der historische Charme des Gebäudeensembles bewahrt werde. Am Ende solle ein Ort entstehen, "an dem man nicht gedankenlos die Getränkedose hinwirft", sondern mit dem man sich identifiziere und dem man Wertschätzung und Respekt entgegenbringe.