Kurzgeschichte der Kramer-Mühle
von Willi Steger
Die Geschichte der Kramer-Mühle ist auch eine römische Geschichte. So wurde der Kraichbach, wie auch der nahegelegene Leimbach, beim Eintritt vom Kraichgau in die Rheinebene von den Römern im 2.und 3. Jahrhundert in hohen Dämmen angelegt und entlang römischer Punkte wie Kastelle oder villae rusticae zum Rhein geführt. Villae rusticae waren Gutshöfen/Landgüter der Römer in denen die römischen Veteranen mit ihren Familien aber auch romanisierte Teile der einheimischen Bevölkerung mit keltischen und germanischen Vorfahren wohnten.
Den künstlich angelegten Damm des Kraichbaches führten die Römer entlang der römischen Thalstraße von Ubstadt/Weiher nach Kislau und weiter über die römische Burgenstraße über St. Leon zur Burg Wersau in Reilingen. Das Gefälle der Bäche reichte aus, um längs der römischen Linien Mühlen zu betreiben.
Im Ganzen gesehen brachte die Römerherrschaft viele Neuerungen und Fortschritte auch für die im sogenannten Dekumatenland. Die Römer importierten Ackerbaugeräte und führten auch Nutzpflanzen wie den Hanf ein, was in der Folge unserer Gegend den Namen „Hanfland“ einbrachte. Sie brachten auch die Wassermühlentechnik nach Germanien und damit vielleicht auch nach St. Leon-Rot.
Die Bischöfe von Speyer ließen im Mittelalter neue Mühlen bauen und verpachteten sie in zeitlichen Abständen an die Bewerber. Um das Einkommen des Müllers und auch des Grundherrn wie dem Bischof zu sichern gab es sogenannte Bannmühlen wie z.B. die St. Leoner Mühle. Hierher mussten die Bauern von Rot und St. Leon ihre Frucht zum Malen bringen. Mit zunehmender Verbreitung benutzten die Grundherren die Wassermühlen auch als sichere Einnahmequelle.
Die Mühle in St. Leon war unter anderem der bäuerlich zentrale Punkt im mittelalterlichen Ortskern von St. Leon. Ihre herausgehobene Bedeutung zeugt davon, dass die herrschaftliche Mühle im 18. Jahrhundert fünf Mahlgänge, einen Schäl- und Gerbgang, eine Hirsemühle, eine Ölmühle und eine Hanfreibe betrieb.
In diesem Zusammenhang steht auch unser über 500 Jahre alter Markt, der zu den Anfangszeiten Hanf- und Gespinselmarkt (gesponnenes) genannt wurde. Etliche Familien in St. Leon-Rot verarbeiteten den Hanf zu Seilen und Bekleidungstextilien und brachten es auf den hiesigen Markt.
Bei der Nennung des über 500 Jahre alten Marktes in St. Leon erinnert sich der kundige Leser hierbei gerne an das Kloster zum Hl. Leo von 853, (nachdem der Ort St. Leon seinen Namen hat). Die erste romanische Kirche von 1049, die wahrscheinlich von dem deutschen Papst Leo IX. eingeweiht wurde. Das Kloster der Reuerinnen von 1227/28 (heute Magdalenenkloster in Speyer). Dort finden wir auch Hinweise, dass das ehemalige „Kloster in den Gärten bei der Mühle“ stand. Weiter die ehemalige Wasserburg oder Mottenburg der Adligen von St. Leon aus dem 12./13. Jahrhundert in den Stegwiesen. Die großen Hofgüter, Rußheimer und Kuntzheimer Hof (die spätere Dorfallmend)., das erste Rathaus vor der Kirche von 1494, das Jägerhaus aus dem 18. Jahrhundert auf dem Mühlengelände, (später als Ochsenstall genutzt) und nicht zuletzt an die ehemaligen römische Gutshöfe, die sogenannten villa rusticae am Klosterbuckel, im Schiff, in den Hesselwiesen und im St. Leon/Roter Bruch. Viele dieser Siedlungsreste sind noch versunkene Schätze in der Gemeinde St. Leon-Rot.
Die uns heute noch erhaltene Mühle als letztes Kulturgut und Erbbestandsmühle ist vermutlich weit vor 1500 vom Bischof von Speyer, als Landesherr im Hochstift Speyer neu erbaut und als Lehen an verschiedene Betreiber der Mühle für 6, 9 oder 12 Jahre verpachtet worden.
Verschiedene An- und Umbauten, sowie Neubauten z.B. der durch Brandstiftung 1782 abgebrannten Ölmühle und deren Wiederaufbau 1783 durch Johann Georg Kramer und auch der Neubau des Wohngebäudes im Jahr 1862 prägen das Anwesen bis heute.
Nach der Säkularisation 1803 ging die Mühle dann im Zuge der Zehnablöseverträge Anfang des 19. Jahrhunderts in das Eigentum der Familie Kramer über. Die Mühle wurde durch die Nachkommen bis zur Aufgabe des Mühlenbetriebes 1982 weitergeführt und das Inventar anschließend verkauft. Hubert Kramer war der letzte Müller auf der Mühle, er verstarb 1994.
Im Dezember 2015 erwarb die Gemeinde St. Leon-Rot das Mühlenareal von den Erben und Eigentümern. Nach dem Wunsch der Bevölkerung soll das gesamte Mühlenareal eine lebendige Begegnungsstätte für alle Bürgerinnen und Bürger von St. Leon-Rot werden.
Persönliche Erinnerungen & Anekdoten
Sie haben persönliche Erinnerungen an die Kramer-Mühle?
Schreiben Sie uns! info@kramer-muehle.de
"Ich erinner mich noch sehr gut - in meiner Kindheit, das ist jetzt über 60 Jahre her, flutete der Müller im Winter ab und an die große Wiese neben der Mühle. Wenn es knackig kalt war, entstand hier so innerhalb weniger Stunden ein idealer Platz zum Schlittschuh-Laufen! Das ist eine meiner großartigsten Kindheits-Erinnerungen. Für uns Kinder war das damals das Highlight im Winter!"
R. B. aus St. Leon-Rot
Anekdote:
Anfang des letzten Jahrhunderts gaben sich die Müllerstochter Rosa Kramer 1894-1925 genannt „Rösl“ und der Müller Joseph Feucht 1891-1932 aus Nenzingen bei Stockach das Jawort. Es ging das Gerücht, dass der Müller Feucht bei Feucht-Fröhlichen Anlässen gerne einen getrunken habe und er mit zunehmendem Alter dem Alkohol immer mehr zugetan war.n.
Dies blieb der Bevölkerung natürlich nicht verborgen.
Bei seiner Beerdigung gab es fürchterliches Regenereignis und so ging im Ort nach der Beerdigung rum:
"Feucht war sein Name,
- feucht hat er gelebt und
- feucht wurde er begraben."
G.H. aus St. Leon-Rot
Sie haben Fragen?
Wir möchten an dieser Stelle Ihre Fragen zusammentragen und auch versuchen zu beantworten.
Schicken Sie uns dazu eine E-Mail an: info@kramer-muehle.de
Am 15.12.2015 beschloss der Gemeinderat einstimmig den Erwerb der Kramer-Mühle!
Ein klares JA zur Kramer-Mühle
Der Gemeinderat hat am Dienstag den 15.12.2015 einstimmig FÜR den Kauf der Kramer-Mühle gestimmt. Ein Nutzungskonzept soll gemeinsam mit Gemeindeverwaltung, Gemeinderäten und Vertretern aus der Bevölkerung erarbeitet werden. Die Bevölkerung von St. Leon-Rot hat mit Ihren Unterschriften und der großen Präsenz ein Zeichen gesetzt:
# 1183 Unterschriften
# 400 Interessierte bei der Infoveranstaltung, in der Kramer Mühle, an den Ständen
# 200 Fans auf facebook, 8000 Betragsreichweite, 950 Interaktionen
# 1000 Besuchern auf unserer Webseite
Und das innerhalb von 10 Tagen, die Zahlen sprechen für sich!
Wenn die Bevölkerung sich bewegt, bewegt sie etwas! Herzlichen Dank an alle Unterstützer!
# Hier die Artikel der Rhein-Neckar-Zeitung zur Kramer-Mühle:
- vom 14.12.2015: St. Leon-Rot: Eindringliche Appelle für den Erhalt der Mühle
- vom 17.12.2015: St. Leon-Rot: Einstimmiges Ja für den Kauf der Mühle
Wer ist die Bürgerinitiative zur Rettung und Sanierung der Kramer-Mühle?
Bürgerinnen und Bürger aus St. Leon-Rot (SLR) haben sich im Dezember 2015 getroffen, um die Kramer-Mühler vor ihrem Verfall zu retten und Nutzungskonzepte zusammenzutragen und zu konkretisieren.
Die Bürgerinitiative Kramer-Mühle - Unsere Ziele:
# Wir setzen uns für den Erwerb der Kramer-Mühle durch die Gemeinde ein.
# 500 Jahre kulturhistorisch einmaliges Anwesen erhalten.
# Bei der Erarbeitung eines nachhaltigen Nutzungskonzeptes durch die Bürger mitwirken.
# Zentraler Treffpunkt mit Marktplatzcharakter für alle Bürger schaffen.
# Informationen über den aktuellen Sachstand anbieten.
Sie können uns unter folgender E-Mail erreichen: info@kramer-muehle.de
Oder kommen Sie einfach spontan bei einem der Termine unserer „Mühlen-Treffs“ vorbei, die wir veranstalten.
Info-Veranstaltung mit großer Resonanz
Unsere Info-Veranstaltung am 08.12.15 war ein voller Erfolg. Der Gastraum der SG war bis auf den letzten Platz besetzt. Wir konnten einige der Gemeinderäte, Dr. Eger sowie die RNZ begrüßen. Vielen Dank für die kompetenten Beiträge von Josef Wittman, Zimmermeister, und Willi Steger vom Arbeitskreis Heimatgeschichte. Beide betonten in ihren Vorträgen den historischen Wert der Kramer Mühle, was die beeindruckenden Fotos von Erich Purkott belegten. Albert Weinlein stellte unsere Bürgerinitiative vor und warb mit einem aussagekräftigen Fotovortrag plus Nutzungsmöglichkeiten für den Kauf der Kramer-Mühle durch die Gemeinde. Wir sind überzeugt, dass die Mühle für die gesamte Bevölkerung von St. Leon-Rot ein Gewinn sein wird, von der auch die nachfolgenden Generationen profitieren werden.
Historie
Historische Informationen zum Anwesen der Kramer-Mühle
Willi Steger Arbeitskreis Heimatgeschichte
Über die Entstehung und Geschichte der Kramer-Mühle als Bann- und Ölmühle aus dem 15./16. Jahrhundert wird in unseren Heimatbüchern ausführlich berichtet. Jeder Interessierte kann sich zudem über den Audio Guide – die telefonische Ortsführung – der Gemeinde St. Leon-Rot informieren.
Chronologie des Mühlenareals
- St. Leon-Rot gehörte 1000 Jahre zum Hochstift und unter die Herrschaft der Fürstbischöfe von Speyer.
- 1049 wurde in St. Leon die erste Kirche eingeweiht.
- 1494 wurde das erste Rathaus erbaut.
- Vermutlich auch im ausgehenden 15. Jahrhundert ließ der Bischof von Speyer eine Bannmühle errichten.
- Nur hierher mussten die Bauern aus St. Leon und Rot sowie der umliegenden Höfe und Ortschaften ihr Getreide und Hülsenfrüchte zum Mahlen bringen.
- Im Vergleich zum Ausmaß und Größe der Mühle hatte die spätere Kramer-Mühle eine herausgehobene Bedeutung.
- Die Mühle war Eigentum der Bischöfe von Speyer und auf Dauer verpachtet bzw. später als Erbbestandsmühle dem Pächter übereignet.
- Entlang des Kraichbaches mit seiner 60 km Länge von der Quelle im Stromberg bei Sternenfels bis zur Mündung in den Rhein bei Ketsch, werden sie kaum ein Mühle finden mit dem historischen Hintergrund wie der Kramer Mühle.
- Unbestritten ist auch, dass im weiteren Einzugsbereich des Mühlenareals das Kloster der Reuerinnen stand.
- Pfarrer Volz berichtet darüber ausführlich in seinen Aufzeichnungen, dem bekannten Notabilienbuch von 1833-39.
- Es war jedenfalls „um das Jahr 1227/28 als sich hier ein Frauenkloster befand, das „in den Gärten bei der Mühle“ stand – so der Bericht.
Ob es allerdings im 13. Jahrhundert bereits eine Mühle am Kraichbach gab, lässt sich aus von der Aussage Pfr. Volz nicht ableiten.
In den Archivunterlagen des noch heute bestehenden Folgeklosters der Reuerinnen, den Dominikanerinnen des Kloster St. Magdalena in Speyer, findet sich über den Ursprung des Klosters St. Magdalena folgender Hinweis:
- „ …den Anfang unseres Klosters finden wir rechts des Rheins in St. Leon, einem Dorf am Westrand des Kraichgaues, wo sich eine Gemeinschaft von Reuerinnen befand, deren Patronin die hl. Maria Magdalena war.“
(aus: 775 Jahre Kloster Sankt Magdalena zu Speyer 1228-2003 und 700 Jahre Dominikanerinnen 1304-2004 Hrsg. Kloster St. Magdalena Speyer 2004) - Ich selbst habe bei einem Besuch im Kloster St. Magdalena in Speyer das Archiv besucht und dort Unterlagen - auch mit Bildern des Mühlenareals - gesehen.
- Der Wieslocher Historiker Hildebrandt vermutet sogar, wie er im Regestenverzeichnis (Sl 13) des Heimatbuches St. Leon-Rot darlegt, dass die Reuerinnen „sicherlich das verlassene Kloster“ nutzten.
Was war nun denn „das verlassene Kloster“?
Und wo stand es?
- Aus der Geschichte des Ortes St. Leon wissen wir, dass es im 9. Jahrhundert ein Kloster und Chorherrenstift St. Leo gab.
- Belegt ist auch, dass das Kloster Papst Leo I. dem Großen geweiht war und im Jahr 853 durch eine reiche Schenkung der Witwe Erkanfrieda aus der Familie Karls des Großen bedacht wurde.
- Die dritte Ehefrau Karl des Großen Hildegard war eine Gräfin aus dem Kraichgau und ihre Eltern und Geschwister waren in Heidelberg, Bruchsal, Malsch, Zeutern, Odenheim usw. reich begütert .
Wenn nun die Reuerinnen von 1227/28 die Reste des Klosters von 853 nutzten, dann stand doch folglich, nach Historiker Hildebrandt, auch das Kloster zum Hl. Leo in den Gärten bei der Mühle!
Wo sind nun die „Gärten bei der Mühle“?
- im Mühlenareal oder gegenüber in den Weihergärten? Die übrigens auch unter Denkmalschutz stehen. Wir wissen es nicht.
- Noch um 1548 stand mit Gewissheit gegenüber der Mühle, in den Weihergärten, auch der mittelalterliche churpfälzische Zollturm (Pfälzer Wildbannkarte) und vermutlich unweit davon in den Stegwiesen eine Mottenburg aus dem 12./13. Jhd.
(Kunze Rainer in: Mannheimer Geschichtsblätter 2003/04 Burgen im Bruhrain)
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Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen mit diesem Beitrag eigentlich nur be-wusst machen, welche historische wertvolle Bedeutung das Mühlengelände mit dem angrenzenden Areal hat und wie wertvoll der Nachlass unserer Vorfahren ist.
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Hier die Liste des Grauens, was alles bereits in St. Leon-Rot unwiederbringlich weichen musste:
- die historischen Reste der römische Villa Rustica im Gewann Sentner/Klosterbuckel wurde zugeschüttet und durch den Golfplatz überdeckt
- der historische Klosterkeller im Bachgässel – zugeschüttet
- die Teile der alten Römerstraße/Burgenstraße von Karlsruhe kommend über Karlsdorf, Ubstadt, Stettfeld, Kislau – durch St. Leon und weiter über Reilingen, Burg Wersau nach Speyer - vergessen und zugedeckt.
- die Zigarrenfabriken Wellensick & Schalk & Bruns by Rhein - abgerissen
- die Zigarrenfabrik Landfried in Rot - abgerissen
- die Zehntscheune in Rot aus dem 17. Jhd. - abgerissen, es steht nur noch ein Torso
- die Zehntscheune in St. Leon im Pfarrgarten 1974 - bis auf die Grundmauern abgebrannt
- das alte Rathaus in St. Leon 1913 - abgerissen
- die alte barocke Kirche in St. Leon von 1807 - 1954 – abgerissen (die Vorgängerkirche hat 800 Jahre gestanden)
Willi Steger